Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Time is honey – verflixtes Zeitmanagement

Erstellt von r.ehlers am Sonntag 3. April 2016

Worum es hier nicht geht:

An der regelmäßigen Wiederholung von Abläufen machen  wir  die Existenz der Zeit fest. Was Zeit ist, können wir aber weder verstehen noch begreifen. Wir können sie nicht einmal fühlen. Mental sind wir allerdings evolutionär auf laufend wiederkehrende Rythmen wie den zeitlichen Wechsel von Tag und Nacht geeicht sowie darauf, vorwiegend in der Nacht zu schlafen. Auch der  Herzschlag und die Atmung  stellen solche Rhythmen dar, deren wir uns sogar immer wieder  bewusst werden. Zudem gibt es für uns nicht spürbare rhythmisch ablaufende Vorgänge in unserem Körper wie die Zellteilung und die Zellerneuerung, die zu bestimmten Zeiten ihre ausgeprägten Höhepunkte haben.

Thema dieses Beitrages ist unser täglicher wacher Umgang mit der Zeit , der uns in der Industriegesellschaft zum Problem geworden ist. Mit gewaltigerLichterflut machen wir die Nacht zum Tag und haben keinen ausreichenden Bezug mehr zu den in der Zeit von Tag zu Tag und innerhalb desJahres und auch in unserer Lebenszeit sich ereignenden natürlichen „Zeitzeichen“, weil wir vor lauter Betriebsamheit und Hetze nicht mehr auf sie achten.

Die Industriegesellschaft ist eine Arbeitsgesellschaft, die die Leistungsfähigkeit der Menschen im Takt der alles beherrschenden technischne Zeitmesser, der Uhren und Computer, abschöpft. In dieser systematischen Fremdbestimmung kommen die Lebensinteressen der Menschen zu kurz, die der Philosoph und Biologe Professor Dr. Karlheinz Geißler unsere Sehnsüchte nennt.  Auf geniale Weise hat Michael Ende dies in seiner wahrhaft wundervollen „Unendlichen Geschichte“ in den grauen Männer als Zeiträubern und Horus, dem unerbittlichen  Meister der Zeit, personifiziert und ihnen die einfallsreiche quirlige Momo gegenübergestellt.

Oekom-Verlag, 2015, 17,95 €

Nicht nur für Nacht- und Schichtarbeiter, sowie für Menschen, die überlange arbeiten und zusätzlich ständig in Arbeitsbereitschaft stehen müssen, gilt, dass unser Umgang mit unserer täglich verfügbaren Zeit steht nicht  im Einklang mit unserer körperlichen und psychischen Gesundheit steht. Der Mensch in der Leistungsgesellschaft unterwirft sich einem

                    rigorosen Zeitmanagement,

das ihm jede freie Zeit stiehlt.

Die Autoren Karlheiz und Jonas Geissler weisen richtig darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der angibt, Zeit zu haben, dem Arbeitgeber, seinen Kollegen und auch jedem Dritten suspekt ist. Man nimmt an, dass er unordentlich  und faul ist. Das merkt er natürlich auch selbst und macht sich und allen anderen im Wege des vorauseilenden Gehorsams vor, dass er viel zu viel zu tun und nie Zeit hätte.

Als noch sehr junger Anwalt erhielt ich 1974 das Angebot, als juristischer Mitarbeiter in der damals größten Anwaltspraxis der Welt in New York zu arbeiten, weil ich mit dem Sohn eines der Gründer dieser Einrichtung befreundet war. Mitinhaber dieser Praxis, die 1000 Anwälte  im Dienst hatte, war überigens der frühere US-Präsident Richard Nixon. Ich erfuhr über die dortigen Arbeitsbedingungen, dass alle Mitarbeiter nach einer strengen Zeiteinteilung arbeiten mussten, einem sog. Timesheet, auf dem die Anwälte alle 15 Minuten eintragen mussten, was konkret sie in der abgelaufenen Viertelstunde getan hatten. Eine Stechuhr und die zeitliche Kontrolle der Arbeitsschritte in der Industrie (REFA) kamen mir damals im Vergleich  wie ganz humane Instrumente vor. Also blieb ich lieber in Old Europe und genoss dort meine Freiheit in eigener Praxis.

Tatsächlich ist seit der Einführung des Fließbandes aus der Arbeitsgesellschaft eine Hochleistungsgesellschaft geworden, in der „Zeit Geld“ ist und daher überall in kürzest möglicher Zeit das Maximum an Produkt zu schaffen ist.Der Weg dahin war allerdings schon lange vorgezeichnet gewesen. Denken Sie nur an die Galeerensträflinge, die die schweren Ruder nach dem Takt der Trommel zu bewegen hatten und an die Arbeit der Sklaven und Billiglöhner auf den Plantagen.

Die absolute Herrschaft der Zeit über die Produktion hat uns bereits in eine perverse  Wachstumsgesellschaft geführt, in der die Masse der erzeugten Güter – natürlich nur, wenn sie sich auch irgendwie verkaufen lassen – eine höhere Wertschätzung genießt als ihr wirklicher Wert für die Verbraucher. Man könnt zwar sagen, dass die Konsumenten ja die freie Wahl haben, zu kaufen was sie wollen. Die Frage ist aber, dass ein gefählicher ökonomischer  Wildwuchs, wie wir ihn inzwischen überall in der westlichen Welt sehen, tunlichst verhindert werden sollte.

Wir sind dank der Dominanz des Wachstums auf dem besten Wege, ungewollt die Arbeitsgesellschaft so zu verändern,

  • dass es bald kaum noch nennenswerte produktive menschliche Arbeit mehr geben wird.

Die globalisierte große Wirtschaft prosuziert heute schon auf automatisierten Fertigstrecken fast ausschließlich mit Robotern und Computern die einfachsten wie auch die kompliziertesten Wirtschaftsgüter. Wir rutschen tatsächlich ein wenig in die schon vor Jahrzehntgen für heute angekündigte Dienstleistungsgesellschaft hinein, die an die Stelle der früheren produktiven Arbeit neue Arbeit setzen soll. Irgendwie scheint der Übergang aber doch nicht zu klappen. Nach den Fabriken leeren sich nämich jetzt auch die Büros der Unternehmen und der Geschäfte immer mehr vom Personal. Roboter und Computer lernen, sich selbst zu produzieren und zu reparieren. Sie kennen keine Nachtruhe, keine Feiertage und keinen Urlaub – und natürlich leisten sie niemals Widerworte! Um den Kampf gegen den Zeitgeist nicht blutig austragen zu müssen, haben unsere möglicherweise weit vorausschauenden oder aber wirtschaftshörigen Politiker unter Kanzler Schröder mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen freiwillig einen weitreichenden Sozialbbau durchgesetzt. Dadurch wurden Millionen Menschen in ungesicherte Arbeit gedrängt,  aber das System der Arbeitsgesellschaft verlängert. Schon damals hätte man alsvieol bessere Alternative das bedingungslose Grundeinkommen für alle einführen können. Aber entweder dachte man gar nicht daran oder wusste, dass die Zeit dafür nicht reif war. Sie ist es ja leider selbst heute noch nicht.

 

Die neuen Grenzen des Zeitmanagements

Der Titel des Buches der beiden Autoren, Vater und Sohn Geissler, „Time is honey“ zielt darauf, dass wir uns nicht hauptsächlich oder gar ausschließlich von der gemessenen Zeit unter Druck stzen und setzen lassen sollen, sondern lernen sollen, unser Leben und unsere Arbeit wieder in natürliche Rhythmen einzubinden und in der Zeit Raum für erfülltes Leben lassen sollten.

Wichtigstes Moment ist dabei, zu einem besseren Selbstverständnis zu kommen. Wir sind keine Maschinen, die beliebig nach der Uhr arbeiten können. Wir sind viel mehr als Maschinen. Unsere rationale Intelligenz mag zwar nachahmbar und zu übertreffen sein, wir Menschen sind aber  wie keine Maschine es je sein kann, alle kreativ und innovativ sind (sofern man die individuelle Entwicklung dahin zulässt). Die Autoren, die auch als Zeitberater für die Mitarbeiter von großen Unternehmen tätig sind, sprechen in neuen geschaffenen Begriffen von Zeitleben,  Zeitqualitäten und Zeitzufriedenheit.

Es spricht nach allem nichts dagegen, notwendige Arbeiten vorweg zu planen. Das Zeitmanagement muss aber neben der gewünschten Effektivität der Arbeit die mentalen menschlichen Gegebenheiten berücksichtigen – letzlich auch im Interesse eine qualitativen Verbesserung der Leistung. Eben Klasse statt Masse. Der Hauptkommentator bei Amazon hebt in seiner Rezension des Geissler-Buches hervor:

  • „Inspirierend und witzig der Gedanke, statt der to do Liste einmal eine let it be Liste zu führen. Zieht den Socken der Betrachtung auf links.“

Das erinnert mich sehr daran, dass vor Jahren meine (Noch-) Ehefrau täglich To-do-Listen im Betrieb der Aminas GmbH verteilte, die außer der Demonstration der von ihr usurpatorisch beanspruchten „Planungshoheit“  verständlicher Weise keinerlei  positiven Effekt hatten.

 

Zeit für Meditation

Arbeit, die keiner besonderen Überlegung bedarf, erledigt man kluger Weise in mehr oder minder großer Regelmäßigkeit, damit man darin nicht ertrinkt (Messies). Das bedarf keines professionellen Zeitmanagements. Niemand kann seinen Geist ständig auf Hochtouren halten – oder „im Flow“, wie man heute sagt. Das sind Zeiten, in denen man auf unangestrengte Weise Platz schafft für die wichtigen Aktivitäten. Auch diese Zeit sollte man nicht nach dem Chronographen vorweg einrichten, und sollte auch nicht planersich vorweg entscheiden, wie man dann vorgehen will.

Im Beitrag http://www.essenspausen.com/schlaf-und-traum-wir-ticken-ganz-anders/ habe ich gerade erst eingehend geschildert, wie wir zum größten Vorteil  Tag und Nacht im Einklag mit unserem Unbewussten, unserem eigentlichen Selbst, leben und arbeiten sollten. Im Beitrag „Richtig Lernen“ habe ich hervorgehoben, dass die Mechanismen der Meditation, die den Lernerfolg verbessern helfen, dieselben sind,  die uns im Denken über das Gelernte noch hinausbringen können, s. http://www.essenspausen.com/richtig-lernen/.